Auswirkung der Digitalisierung auf den Menschen
Digitaler Stress
Laut einer Studie zum Thema „Jugendliche im digitalen Zeitstress“ vom Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag von Saferinternet.at und ISPA (Internet Service Providers Austria) aus 2019 nehmen 35 Prozent der Jugendlichen in Österreich bereits digitalen Zeitstress wahr. Dieser entsteht aus hauptsächlich folgenden Faktoren:
- „übertriebene“ Handynutzung: viele Jugendliche sind genervt, wenn Menschen in ihrem Umfeld auf ihr Handy schauen – das gilt für Freunde und Freundinnen ebenso wie für Eltern. 55% belastet es sogar, dass sie selbst zu viel auf ihr Handy schauen.
- Der Stress, sofort antworten zu müssen: Da die meisten Messenger dem Absender einer Nachricht anzeigen, wenn der/die Empfänger*in sie gelesen hat, rechnen viele Menschen mit einer schnellen Antwort. Das kann Druck erzeugen, sofort antworten zu müssen. Gruppen in sozialen Netzwerken, in denen manchmal hunderte Nachrichten täglich ausgetauscht werden, verstärken diesen Stress.
- Ständige Erreichbarkeit: Hinzu kommt, dass Jugendliche – und auch Erwachsene – ihr Handy während der Nacht oft in greifbarer Nähe bei sich haben, sodass morgens gleich nach dem Aufwachen der Blick auf das Display geht – wo sich wiederum möglicherweise Benachrichtigungen angesammelt haben, die Reaktionen provozieren.
Auch eine Studie aus dem Jahr 2015, durchgeführt vom Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, stellt fest, dass viele gesendete und empfangene Nachrichten sowie das sogenannte „Internet Multi-Tasking“, (Nutzung von Online-Inhalten, während gleichzeitig andere Tätigkeiten ausgeübt werden), zu digitalem Stress führen. Dieser kann sich negativ auf das psychische und körperliche Wohlbefinden auswirken. Dabei erzeugte bei jüngeren Studienteilnehmer*innen vor allem das Internet Multi-Tasking Stress, während ältere Teilnehmende eher unter zu vielen eingehenden Nachrichten litten.
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Pausieren
Atmen
Universum reparieren weitermachen
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Problem: FOMO
Fomo, kurz für: „Fear of missing out”, also die Angst, etwas zu verpassen, ist ein besonderer Stressfaktor bei der Nutzung digitaler Medien. Dieses Gefühl kann verschiedene Ursachen haben:
- Durch soziale Netzwerke ist es heutzutage möglich, sich jederzeit darüber zu informieren, was Bekannte und Freund*innen gerade so machen. Beobachtet man jedoch, wie die anderen etwas unternehmen, ohne dass man selbst dabei ist, kann dies dazu führen, dass man sich selbst ausgeschlossen fühlt.
- Das, was in den sozialen Netzwerken verbreitet wird, ist natürlich nur der „auf Hochglanz polierte“ Teil des Lebens der Anderen. Leider ist man sich dessen nur selten bewusst, wenn man durch die Bilder und Posts der anderen scrollt, und fühlt sich schnell schlecht, weil man selber nicht so tolle Erlebnisse hat.
- Eine Flut von Möglichkeiten: Auch die ungeheuer große Auswahl im Hinblick auf die eigene Lebensgestaltung, die erreichbar scheint, kann Stress verursachen: hätte ich lieber auf ein Konzert statt ins Kino gehen sollen? Wäre der andere Job nicht viel toller gewesen?
- Permanente Informationsflut: Die Unmöglichkeit, immer auf dem Laufenden zu sein und alle neuen Posts zu lesen, kann immensen Druck verursachen. In sozialen Medien wird dieser Druck durch Techniken wie infinite scroll verstärkt, um Menschen möglichst lange auf der entsprechenden Plattform zu halten.
Ein erster Schritt, um sich von digitalem Stress im privaten Raum zu befreien, ist das Wissen über diese Mechanismen und die Bewusstheit im Umgang damit. Ein weiterer Schritt ist „Digital Detox“, also das bewusste Abschalten oder Weglegen von digitalen Medien, sowie das Ausschalten aller Benachrichtigungen, die nicht unbedingt notwendig sind.
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Stress ist nicht das, was dir passiert, sondern wie du es wahrnimmst
– Hans Selye
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Digitalisierung und Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (OSH)
Eine Forschungsarbeit der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) beschäftigte sich mit folgenden Themen:
- was die Möglichkeiten der Digitalisierung sind
- wie sie das Arbeitsleben, die Sicherheit und die Gesundheit des Menschen beeinflussen
- Herausforderungen, denen man sich gegenübersieht, und wie sie angegangen werden, um die Möglichkeiten digitaler Technologien zu maximieren und unter anderem die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt rasant. Ziel des EU-OSHA-Forschungsprogramms ist es, den Verantwortlichen für Politikgestaltung, Forschern und den Arbeitnehmern glaubwürdige Informationen über die möglichen Auswirkungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu liefern, damit zeitnahe und wirksame Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden können für die Gesundheit der Mitarbeiter.
Hier sind einige Zitate aus der Studie, die einen Eindruck darüber vermitteln, was die wichtigsten Faktoren bei der Digitalisierung der Arbeitswelt sind:
„Es besteht die Gefahr von arbeitsbedingtem Stress, z.B. aufgrund der Überwachung am Arbeitsplatz, der Arbeit an der Seite von Robotern oder – in einigen Sektoren – aufgrund von Arbeitsplatzunsicherheit. Es werden jedoch auch tragbare Technologien eingesetzt, um den Einzelnen bei der Überwachung und Bewältigung von Stress zu unterstützen.“
„Insgesamt sind arbeitsbedingter Stress, Ängste und Depressionen aufgrund der prekären Natur der meisten Arbeitsplätze, der Arbeitsplatzunsicherheit, der Arbeitsintensivierung, der Arbeit für mehrere Arbeitgeber, der ständigen Überwachung, der Arbeit an der Seite von Robotern und des Drucks von KI-Systemen zur Produktivitätssteigerung (von einigen als „digitale Peitsche“ bezeichnet) weit verbreitet. Auch Cyber-Mobbing ist an vielen Arbeitsplätzen und in vielen Sektoren weit verbreitet.“
„Ein hohes Tempo des technologischen Wandels könnte zu psychischen Gesundheitsproblemen oder zum Ausschluss von qualitativ hochwertiger Arbeit bei denjenigen führen, die mit dem ständigen Wandel oder der “ Neuerung“ nicht zurechtkommen (manchmal auch als “ Technostress“ bezeichnet) (Suh und Lee, 2017).“
Auch über mögliche Zukunftsszenarien der Arbeitswelt haben sich die Forscher Gedanken gemacht:
„Im Allgemeinen arbeiten Menschen neben KI-Systemen oder „Cobots“, und viele werden von der KI beaufsichtigt, beurteilt, gecoacht, geleitet und überwacht. Dies kann für einige Personen eine übermäßige kognitive Belastung darstellen. Andere leiden unter Stress/Angst aufgrund des Verlusts der Kontrolle oder Verantwortung und der Unterstützung durch Gleichaltrige bei der Arbeit oder sind besorgt darüber, wie sehr sie überwacht werden.“
„Die Menschen sind im Allgemeinen besser in der Lage, persönliche und arbeitsbezogene Anforderungen in Einklang zu bringen, da die meisten Arbeiten sehr flexibel sind. Darüber hinaus sind KI-Überwachungsalgorithmen in Arbeitsschnittstellen eingebaut, um ungesunde Arbeitspraktiken zu verhindern. Dennoch kann Stress für manche Menschen immer noch ein Problem sein, weil die Versuchung besteht, intensiv zu arbeiten, weil Arbeit und Privatleben verwischt werden, weil die Aufgaben komplexer werden, weil sie ständig überwacht werden, weil die Erwartung besteht, sich anzupassen, und weil die menschliche Interaktion bei der Arbeit verloren geht. Als Folge von Automatisierung, Robotisierung und künstlicher Intelligenz können einige Arbeitnehmer auch unter Stress leiden, weil ihnen Aufgaben vorenthalten werden, z.B. weil sie nicht genug zu tun haben, weil ihre Arbeit monoton ist oder weil ihre Arbeit nicht erfordert, dass sie ihre kognitiven Fähigkeiten einsetzen.“